„Mit jedem Satz den ich hier verlier werd ich weniger wahr
Mit jedem Wort das mich verlässt werd ich weniger…“
(PeterLicht, Neue Idee)
Ich habe es immer geliebt zu schreiben… nun hab ich mich grad gefragt warum. Ich habe es meistens nicht veröffentlicht und oft sogar niemandem gezeigt – also scheint es wohl kein reiner Mitteilungsdrang zu sein. Ist es schön, Worte aneinander zu reihen? Ist es die Faszination darüber, dass die selben Buchstaben anders zusammengesetzt etwas ganz anderes bedeuten würden …so wie Menschen?
Wie oft wurde schon darüber geschrieben, dass Gefühle in unserem Alltag ihre Bedeutung immer mehr verlieren… dafür wird Worten dann immer noch mehr Bedeutung und Gewicht gegeben.
Worten… Man sollte das zweifelhaft finden, denn sie sind nicht vertrauenswürdig, sie sind zwiespältige eigennützige Kleinstlebewesen.
Sie sind wie eine Währung:
Wie beim Geld kann man viele gute Dinge damit machen,
aber sie können auch viele schlechte Dinge mit einem machen.
Sie führen irgendwie ein Eigenleben.
Das ist wohl der Grund, warum ich Worten nicht mehr traue.
Sie haben schon so viel zu so vielen gesagt und was ist am Ende übrig geblieben?
(Ein kleiner geschichtlicher Exkurs: Wie sind Worte überhaupt entstanden?
Es begann recht simpel, dereinst in irgendeinem 600-Augen-Dorf.
Soeben von den Grunzlauten befreit,
wollten die Bewohner die vielen lustigen Buchstaben ausprobieren,
die Ihnen der allmächtige Gott im Gegenzug geschenkt hatte.
Und so begannen sie zu plappern – was, war ja vollkommen egal. Es ging einfach darum, alle möglichen Buchstabenkombinationen durchzuprobieren.
Sie bemerkten,
dass es gute Buchstaben (A E I O U R T)
und doofe Buchstaben (X Q V J Ö Ä Ü)
gab. Stolz wie die Auserwählten natürlich waren, wieselten sie sogleich in den nächsten Ort, um ihre Neuerwerbung weiterzugeben.
Und so verteilten sich alle 300 Einwohner langsam aber sicher
und die Gruppe der Wissenden wuchs stetig.
Selbstverständlich waren die entstehenden Kombinationen und Interpretationen der einzelnen Buchstaben stets unterschiedlich.
Und es gab wie immer ein paar Verrückte, die Akzenten, die sich auf Dauer von den anderen abheben wollten.
Sie nannten zusammenhängende Buchstaben „Wörter“
und zusammenhängende Wörter „Sätze“.
Sie waren kreativ wie nie zuvor
und sie hatten ganz ganz viel Spaß. Die Menschen.
Irgendwann stellten sie fest,
dass man Worte und Sätze sinnvoll nutzen könnte.
Aber aus Gewohnheit und Bequemlichkeit verwarfen
sie diese abstruse Idee sofort wieder und sie ward nie mehr gesehen.)
Auch heute werden Worte neben der reinen Freude am Herausschleudern von Buchstaben höchstens noch zum Herbeiführen von im jeweiligen Moment erwünschten Situationen genutzt.
Zurück zur „Sachlichkeit“…
Die Eltern der Worte sind bekanntlich die Gedanken, während die Eltern der Gefühle uns oft verborgen sind… darum haben so viele Menschen wohl auch ein gespaltenes Verhältnis zu ihren Gefühlen. Weil man sie nicht einordnen und verstehen kann.
Aber die Gedanken haben uns doch wahrlich schon immer irritiert. Sie driften auf schnurgeraden Straßen in die wildesten Kurven und sorgen für durchdringende Verwirrtheit. Dabei reden sie auf uns ein und versuchen den Lebensweg noch gerader zu machen.
Die Gefühle schweben über ihnen und genießen die schleudernde Abwechslung – sie würden so eine große Ruhe ausstrahlen, wenn man sie ließe…
Und zwischen ihnen sind „wir“.
Gedanken werden zu Worten, die man aufschreiben kann.
Aber Gefühle werden zu Taten, die man beobachten kann.
„Das Leben beobachten“ ist viel besser als den ganzen Tag zu labern.
Denn wenn man wortlose Entscheidungen trifft, dann antwortet das Leben auch wortlos. Plötzlich PASSIEREN Dinge und es wird ruhig. Diese sprachlose Sprache haben wir verlernt zu verstehen – mit jedem Lebensjahr mehr.
Nichts kann verschwinden. Und nichts kommt aus dem Nichts.
Wir erfinden unsere Gedankenstimmen selbst.
Wir erfinden uns selbst.
Wir erfinden ein Bild von uns selbst.
Ein Bild bestehend aus Eindrücken, denen wir begegnet sind.
Meinungen, Situationen, Erlebnissen.
Was, wenn wir all das weglassen?
Ich erinnere mich an mich selbst. Es gab Zeiten, da wusste ich mehr um mich. Ganz am Anfang meines Lebens waren die Stimmen noch ruhig, ich kannte nicht einmal die Ausdrucksform der Worte. Es war eine sehr ruhige Zeit, ich fühlte mich zu Hause im Leben…
Diese wunderschöne Ruhe ist eine große Sehnsucht. Aber sie ist gar nicht so schwer zu bekommen. Schweigen und Beobachten ist etwas, was jeder von uns noch kann.
Man muss es nur machen und dafür mal ganz kurz……..
(C) Martin Cordsmeier